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Kultur des Lernens

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen – Wie es gelingen kann,
aus der Kultur des Unterrichtens eine Kultur des Lernens zu entwickeln

Die Krise von Politik und Gesellschaft spiegelt die Krise der Schulen wider und umgekehrt. Schulen tragen Verantwortung für den Bildungserfolg ihrer Schülerinnen und Schüler. Wenn Pädagogik auf Fachlernen, Didaktik und Intervention bei Regelverstößen reduziert wird, kann der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht erfüllt werden. Statt gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zu betrachten und persönliche Potentiale zu fördern, bestimmt nach wie vor eine Kultur des Unterrichtens verbunden mit Fachleistungen, Lehrplänen und Stundentafeln über Schulabschlüsse.

Bildung ist ein lebenslanger, individueller und sozialer Prozess der Weltaneignung. Dies ist nicht im Sinne der Anhäufung von Wissen zu verstehen, sondern als ein Wechselspiel aus Erfahrung und Reflexion. Menschen bilden ihr Wissen, ihre Werte und ihre Kompetenzen durch ihr Handeln, ihre Erfahrungen und ihr Verstehen. Bildung braucht soziale Interaktion, belastbare Beziehungen und im Rahmen von Schule, Familie etc. auch Vereinbarungen.

Erziehung beinhaltet die Gestaltung, Unterstützung und Begleitung von Bildungsprozessen, zum Beispiel durch Eltern, Lehrkräfte und Fachkräfte. Die pädagogische Verantwortung der Erwachsenen lässt Kinder und Jugendliche hierbei partizipieren. Beziehung und Wert-schätzung sind Schlüsselwörter.

Pädagogik ist die Wissenschaft von Bildung und Erziehung, die Grundlage für eine Kultur des Lernens. Die Bildung demokratisch mündiger Bürgerinnen und Bürger gehört zum zentralen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen. Ein überholtes Verständnis von Schule und Unterricht gefährdet zunehmend auch unsere Demokratie. So können dort kaum Kompetenzen und Werte entwickelt werden, die die Voraussetzung für eine lebendige, freiheitliche und demokratische Kultur sind.

Illustration: Micha Strahl

Nach wie vor wird übersehen, in welch hohem Maße die Lern- und Schulkultur einen pädagogischen Rahmen setzt, der an der Bildung von Wissen, Werten und Kompetenzen beteiligt ist und Chancengerechtigkeit ermöglicht oder schmälert.

„Die Resonanzen, die Kinder und Jugendliche in der Schule von ihren Lehrkräften erhalten, sind von überragender Bedeutung. Sie sagen dem Kind etwas über sich selbst und, noch bedeutsamer, über seine Zukunft. Resonanzen haben die Kraft einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, sie öffnen und schließen Möglichkeitsräume.“

Joachim Bauer (2022, S. 119)

Das erfordert nicht nur, den Unterricht zu entwickeln, sondern die Lernkultur selbst zu verändern. Denn diese hat eine unmittelbare pädagogische Wirkung. Kinder und Jugendliche müssen ausreichend Raum und Freiheit bekommen, um eigenen Ideen zu folgen und nicht nur – meist vorgegebene – Ziele zu verfolgen. Schule muss die Kultur des Unterrichtens, die versucht zu steuern, was gelernt wird, zurückstellen, zugunsten einer Kultur des Lernens, die die Interessen und Potentiale der Schülerinnen und Schüler wahrnimmt und fördert. Hierbei ist das zentrale Anliegen, wie persönliche und gemein-schaftliche Lernprozesse vereinbart und konstruktiv gestaltet werden können. Ohne ein zeitgemäßes Verständnis von Schule, ohne eine kreative und freudvolle, soziale und verantwortliche, wertschätzende und inspirierende Schulkultur, die persönliche und gemeinschaftliche Potenziale wahrnimmt und fördert, kann auch die gesellschaftliche Krise nicht bewältigt werden.

Allerdings müssen in diesem Zusammenhang gleichfalls die Politik und damit verbunden die Schulaufsicht den überbordenden Regulierungswillen aufgeben. Denn Planwirtschaft erzeugt Mangel, das gilt im übertragenen Sinne auch für Bildung und Schule. Gesetzte Ziele und insbesondere die Erfüllung des übergeordneten Auftrags würden ansonsten weiterhin verfehlt werden.